
Berufskraftfahrerqualifikation
Warum § 4 BKrFQG auch für Drittstaatsangehörige gelten muss
Im Rahmen eines laufenden Fachkräfteverfahrens wurde uns ein Fall vorgelegt, der beispielhaft für ein strukturelles Vollzugsproblem im Berufskraftfahrerrecht steht:
Ein Fahrer aus der Türkei hatte seine Fahrerlaubnis der Klasse C/CE vor dem 10.09.2009 erworben und später ordnungsgemäß in eine deutsche Fahrerlaubnis umschreiben lassen. Die zuständige Führerscheinstelle verweigert jedoch die Anerkennung der Besitzstandsregelung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BKrFQG – mit Verweis auf die fehlende Zugehörigkeit der Türkei zur Anlage 11 FeV.
Diese Rechtsauffassung ist aus Sicht der Praxis nicht nur unhaltbar, sondern auch systematisch fragwürdig. Weder § 4 BKrFQG noch die zugehörige Verordnung BKrFQV knüpfen die Besitzstandsausnahme an die Staatsangehörigkeit oder den Ausstellungsstaat der ursprünglichen Fahrerlaubnis. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt des Erwerbs der Fahrerlaubnis – nicht ihr ursprüngliches Herkunftsland.
Auch das BALM teilt diese Auslegung und hat in seinen Anwendungshinweisen klar Stellung bezogen. Die pauschale Verknüpfung mit Anlage 11 FeV ist irreführend. Diese Anlage regelt ausschließlich die Voraussetzungen zur Umschreibung ausländischer Fahrerlaubnisse – nicht jedoch die berufsqualifikatorischen Anforderungen nach dem BKrFQG.
Die Berufskraftfahrerqualifikation ist eine nationale Zugangsvoraussetzung zum Beruf, nicht ein Aspekt des Fahrerlaubnisrechts im engeren Sinn. Besonders problematisch ist die faktische Ungleichbehandlung von Drittstaatsangehörigen, die – trotz Besitzstands – zur vollständigen Grundqualifikation (inkl. IHK-Prüfung) verpflichtet werden sollen. Diese Pflicht ist nicht nur rechtsdogmatisch angreifbar, sondern stellt auch ein erhebliches Integrationshemmnis dar.
Eine bundesweite, einheitliche Anwendung des Besitzstandsrechts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BKrFQG – unabhängig vom Ausstellungsstaat – wäre nicht nur gesetzeskonform, sondern dringend geboten.
Die IHK-Prüfung zur beschleunigten Grundqualifikation ist ausschließlich auf Deutsch verfügbar, obwohl die theoretische Führerscheinprüfung gemäß § 17 Abs. 6 FeV auch in Türkisch und 11 weiteren Sprachen abgelegt werden kann. Für viele Fachkräfte aus Drittstaaten ist die sprachliche Hürde innerhalb der ersten sechs Monate nach Wohnsitznahme realistisch nicht überwindbar.
Zudem sollte die Möglichkeit geprüft werden, die Prüfungen zur Grundqualifikation künftig auch in weiteren Sprachen anzubieten – analog zur bestehenden Regelung bei der Fahrerlaubnisprüfung.
In der Praxis benötigen Arbeitgeber und ausländische Fachkräfte Klarheit, Planungssicherheit und eine rechtssichere Auslegung. Unterschiedliche Einschätzungen zwischen Führerscheinstellen, Ausländerbehörden und IHKs gefährden laufende Verfahren und konterkarieren die Zielsetzung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes.
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